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Kommentar zur kantonalen Bestands- und Bedarfserhebung

Das Wichtigste vorweg:

Die vom Sportamt und dem Amt für Mobilität in Auftrag gegebene Studie untermauert, dass bezüglich Mountainbike-Infrastruktur grosser Handlungsbedarf besteht. Eine zeitnahe Deckung des Bedarfs soll mit Einbezug des Bestandsnetzes inklusive Wanderwege und nutzungsbasierter Trails geschehen.

Weiter liefert die Bedarfsanalyse wichtige Details:

– Neben der Schaffung zusätzlicher Infrastruktur soll bei der Umsetzung des Bundesgesetzes über Velowege (VWG) auch auf das Bestandswegnetz zurückgegriffen werden.

– Eine geeignete Signalisation und Kommunikation soll nicht nur über gegenseitige Rücksichtnahme, sondern auch über das Recht aller Nutzungsgruppen aufklären, sich auf bestimmten Wegen bewegen zu dürfen. Damit lassen sich viele Konflikte entschärfen.

– Jagd wie Waldbesitzende und die Vertretung der Wanderwege sehen es als unproblematisch an, wenn Bikende auf Wegen unterwegs sind, die auch von FussgängerInnen benutzt werden.

– Als Ziel von Ausfahrten mit dem Mountainbike werden hauptsächlich technische, naturbelassene Singletrails oder einfache Flowtrails gewählt.
Die Daten unterstreichen damit die Wichtigkeit, wohnortnahe Angebote für die
Bevölkerung des Kantons zu schaffen.

– Eine zusätzliche Lenkung ist nützlich und wirkungsvoll, wie die offiziellen MTB-Angebote zeigen.

Wer genaueren Einblick haben möchte, hier ist der Link zur Studie

https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/themen/mobilitaet/veloverkehr/downloads/bestandes-und-bedarfserhebung-mountainbike-kanton-zuerich.pdf

Gesamthaft lässt sich folgendes sagen:

Eine zeitnahe Abdeckung des Bedarfs bzw. ein Abschluss der Planung bis Ende 2027, wie vom VWG vorgesehen, lässt sich nur erreichen wenn:
– klar ist, dass es kein generelles Fahrverbot für Wanderwege gibt.
– nutzungsbasierte Trails in die Planung einbezogen werden.
– zeitnah ein kantonales Mountainbike-Konzept erarbeitet wird.
– eine neue Bewilligungspraxis ohne Baueingabe schnell abgeschlossen oder die bestehende angewendet wird.
– Baueingaben für zusätzliche Infrastruktur schnell bearbeitet werden können.
– die bestehende Rechtspraxis entsprechend der aktuellen Rechtsprechung liberalisiert wird.
– Koexistenz mittels klarer Kommunikation, Signalisierung und Einbezug der Nutzungsgruppen schon ab dem jetzigen Zeitpunkt gefördert wird.
Für die meisten dieser Punkte gilt es, die bei den entsprechenden Ämtern die benötigten finanziellen und personellen Ressourcen zu schaffen. Wie wir von verschiedensten Seiten her erfahren haben, ist der politische Wille dazu vorhanden.

 

Auf folgende, Themen der Studie möchten wir näher eingehen:

Wegnutzung

Wichtig ist, dass bezüglich der Planung, dem Angebot und der Kommunikation die Studie auch eine Empfehlung abgibt, wie mit dem Wegbestand – auch dem nutzerbasierten bzw. informellen – umgegangen werden soll:

Demnach sollten wohnortnahe, über den Kanton homogen verteilte Angebote möglichst im bestehenden Wegenetz geschaffen werden. Damit wird nochmals folgendes unterstrichen: Die Freigabe von Wanderwegen für das Befahren ist überfällig, zumal alle Gerichtsurteile kein generelles Verbot auf Wanderwegen sehen.

Der Verein Zürcher Wanderwege in Verbindung mit anderen Verbänden hat dazu bereits ein ausführliches Positionspapier verfasst:

https://www.schweizer-wanderwege.ch/de/media/download/f86946a3f6ec3f52d07fb00b020aa97033007f6a

Der Kanton Bern, der mittlerweile die Koexistenz von Fahr- und Fussverkehr im Gesetz festgeschrieben hat, liefert in einer Arbeitshilfe Anleitungen zur Vermeidung von Konflikten auf gemeinsam benutzten Wegen. Mit dabei ist eine Checkliste für die Einstufung des Gefahren- und Konfliktpotentials, die wichtige Anhaltspunkte liefern kann.

https://www.bvd.be.ch/content/dam/bvd/dokumente/de/tba/mobilitaet/velo-und-fussverkehr/mb-vf-ah-mountainbike-routen-planung-projektierung-realisation.pdf

 

Umgang mit nutzungsbasierten Trails

Wege und Bereiche, welche für die Mountainbikenden attraktiv sind, werden naturgemäss vermehrt befahren. Um Angebote zu schaffen, soll im Bereich der Planung deshalb schnell definiert werden, wie der Kanton, Regionalplanung und Städte/Gemeinden mit der
Nutzung der aktuell bestehenden Wege umgeht.
Die Studie stellt fest: „Aus der Überlagerung von hohen Frequenzen und den geographischen Informationen der informellen Angebote ergeben sich Wege, die für die Nutzendenlenkung mit relativ geringem Aufwand genutzt werden können.“

Nicht nur aus Kostengründen und wegen des engen zeitlichen Rahmens, auch aus Gründen des Naturschutzes ist sinnvoll, bestehende Trails zu nutzen, da der Schaden an der Natur am grössten ist, wenn ein neuer Weg entsteht.
Wir regen deshalb an, vor allem viel genutzte Trails möglichst schnell zu offizialisieren und bei fehlenden Kapazitäten der zuständigen Ämter interessierte Vertretungen mit deren Unterhalt zu beauftragen, wie das in einzelnen Fällen schon erfolgreich gemacht wurde.

Eine Baueingabe ist für dieses Vorgehen nicht nötig, da eine vereinfachte Bewilligungspraxis bereits existiert. Sie wurde allerdings kaum angewendet und ist tatsächlich vielen Gemeinden noch nicht mal bekannt. Laut ALN, Abteilung Forst und Wald gilt folgendes, bis eine neue Bewilligungspraxis vorliegt:
Die Gemeinde hat nach Waldgesetz das Recht, Strecken für das Befahren mit Mountainbikes als Ausnahmen zu bewilligen (KWaV §6), wenn diese keine Bauten aus waldfremdem Material aufweisen und die Bauten ausserdem nicht höher sind als 50 cm. Dies schliesst kleine Aufschüttungen und den Einsatz von Fallholz zum Beispiel zur Wegsicherung oder als Kurvenanlage oder Bodenwelle mit ein. Für die Freigabe solcher Trails braucht es kein Baugesuch, aber das Einverständnis des Grundeigentümers.
Eine Gemeinde wird in der Regel mit dem Kreisförster Rücksprache halten, bevor sie einen Entscheid fällt. Die Freigabe erfolgt aber durch Gemeindebeschluss oder durch die Verwaltung (Baubehörde).

Es gibt berechtigte Gründe, weshalb ein bestimmter Trail nicht offizialisiert werden kann. Aber die Aussage vieler Gemeinden, dass dies aufgrund des Waldgesetzes nicht möglich ist, ist falsch. Auch, dass ein Weg auf Swisstopo verzeichnet sein muss, ist kein Kriterium.

Was in der Studie nicht explizit erwähnt wird, ist, dass das Bestandsnetz der nutzerbasierten Trails, die aufgrund der hohen Frequenz und der Attraktivität als Grundlage für ein Trailnetz dienen könnte, neben einer erleichterten Bewilligungspraxis nur mit einem Wandel der offiziellen Politik im Umgang mit der Rechtslage überhaupt möglich ist.
Schon eine kantonsweite Datenerhebung ist ungenau, wenn das Fahren auf bereits geschaffenen Wegen von Behördenseite her nicht erlaubt ist.
Denn die bisherigen Nutzungsdaten liefern ein verzerrtes Bild, auf informellen Strecken war nur unterwegs, wer über die – allerdings von allen bisherigen Urteilen widersprochenen –  Rechtsauslegung des Kantons nicht Bescheid wusste oder sie bewusst ignorierte und damit riskierte, angezeigt zu werden.

Schaffung neuer Trails

Bezüglich der Schaffung von neuen Trails ist die Bearbeitung von Baueingaben zu beschleunigen, will ein Abschluss der Planungsphase bis Ende 2027 erreicht werden.
Dazu ist es hilfreich, dass die Schaffung von Trails um ein Vielfaches günstiger und waldschonender ist als die Schaffung sonstiger Velo-Infrastruktur, zumal die Daten zeigen, dass möglichst naturbelassene Trails als attraktiv gelten. Für deren Bau sind noch nicht mal überall Maschinen nötig, der Unterhalt kann derweil von Vereinen und Verantwortlichen günstig verrichtet werden, sofern ihnen genügend Kompetenzen übergeben werden. Abgesehen von Strecken, die nur von Bikenden genutzt werden sollen, entstehen so auch Wege für viele andere Nutzungsgruppen.

Gemeinden

In der jetzigen Lage ist die Stärkung der Gemeinden in der Bewilligungspraxis und der raschen Schaffung und Freigabe von Trails wichtig. Zentral ist dabei die Unterstützung durch den Kanton bezüglich Bewilligungsverfahren, fachlichem Know How und bei fehlenden Strukturen. Dies ist vor allem in der aktuellen Phase nötig, in der in vielen Gebieten noch nicht mal mit der Planung begonnen wurde. Bis ein kantonsweites Angebot bestehen wird, werden viele Jahre vergehen. Doch die Erweiterung des Angebots auf diese Weise ist kostengünstig und schnell. Die bestehenden Trails können gleichzeitig in die kantonale Planung einbezogen werden. Natürlich soll ein Trail möglichst dann bewilligt werden, wenn er auch in einem grösseren Zusammenhang Sinn macht. Doch attraktive Trails werden im Rahmen der Naherholung auch befahren wenn sie isoliert stehen. Es gilt also, bestehende attraktive Angebote zu nutzen. Eine kantonsweite Mountainbike-Infrastruktur, die allen Gebieten gerecht wird, kann nicht am Reissbrett entstehen. Zudem wird verhindert, dass etwas geplant wird, das bei einem Zeithorizont von 15 – 20 Jahren bei der Fertigstellung schon wieder überholt ist.
In diesem Zusammenhang stehen wir dafür ein, dass Gemeinden und Interessengruppen mehr eingebunden werden, als dies die Studie in einer RACI – Matrix (Bestandes- und Bedarfsanalyse, Seite 88) vorsieht. Dies vor allem bei den Themen Koexistenz, dem Umgang mit Bestandswegen und der Identifikation von neuralgischen Punkten, bei denen sie laut Studie bloss informiert und nicht konsultiert werden sollen.

Planung und Ausführung

Wir unterstützen grundsätzlich die formulierten Empfehlungen in der Bedarfsanalyse, vor allem das zeitnahe Erarbeiten eines Konzepts und die von allen Beteiligten gewünschte schnelle Einführung einer vereinfachten Bewilligungspraxis. Wir sehen aber einen gewissen Widerspruch darin, dass einerseits die Reihenfolge Planung, Angebot, Kommunikation eingehalten werden und andrerseits das bestehende Wegnetz genutzt werden soll. Dies wird zu Konflikten führen, wenn nicht eine Kommunikation vor allem bezüglich Koexistenz von Anfang an geschieht. Deshalb wurde die Koexistenz-Initiative „Zäme Happy“ bereits von Bikenden lanciert.
Ausdrücklich begrüssen würden wir einen engeren Kontakt zwischen den Beteiligten, so wie von der Studie im Bereich Sensibilisierung vorgesehen wo sie eine kantonsweite Projektgruppe der Vertretungen verschiedener Interessen und der kantonalen Ämter vorschlägt. Das bisherige Vorgehen, bei welchem die Information aller Beteiligten getrennt eingeholt wurden, ist langwierig und fehleranfällig. Mit einer Projektgruppe kann nicht nur der Wissenstransfer beschleunigt, sondern auch die gegenseitige Akzeptanz gefördert werden.

Tom Meister, September 2023